Das hätte schief gehen können
Über Nacht war Frost. Zelt und Wasserflaschen hatten am Morgen eine dicke Eisschicht. Gut, dass wir so warme Schlafsäcke haben! Unser heutiges Ziel hieß Lago Quillen. Aufgehalten wurden wir nach einer guten Weile von einer weiteren Tranquera. Die war leider nicht so einfach zu überwinden, wie die gestrige. Aber ebenso neu. Das war unser Glück: Die Schrauben waren noch nicht angerostet. Roland schraubte kurzerhand alles auseinander – und wieder zusammen. Kette und Schloss blieben unversehrt. Nachdem wir passiert hatten, sah man dem Tor nichts an. Nur die Spuren verrieten uns. Uns war klar, dass uns bei dieser Aktion lieber keiner erwischen sollte. Das nächste Tor war unverschlossen. Bald standen wir auf der staubigen Ruta nach Quillen. Am großen
Eingangsportal zum „Parque National Lanin“ hielt ein kurzhosiger Motorradfahrer an und erkundigte sich erstaunt nach unserer Herkunft. Roland beschrieb unseren hindernisbeladenen Weg und stellte unsere Standardfrage: „un lugar para tres cavallos para una noche“. Alexander, so der wilde Fahrer, bat uns zu warten. Bevor er losbrauste, legte er uns ans Herz: Wenn wir nach unserem Weg gefragt werden, sollten wir antworten, wir hätten die Legitimation von Alexander. Na das klang vielsagend. Gespannt warteten wir, während unsere Pferde sämtliche Distelköpfe am Wegesrand köpften. Mittlerweile hat auch Jefe gelernt, die köstlichen Blüten vom stacheligen Stiel abzuzupfen. Kurz darauf erklärte uns Alexander den Weg zu seinem Casa am Rio Quillen. Eine Stunde später standen unsere Pferde im kniehohen Gras, das Zelt im Garten am Bootanleger und wir saßen mit der Familie am Mittagstisch. Wir waren beim Eigentümer eines Teils der Estancia La Ofelia, die sein Großvater gekauft hatte, gelandet. Na, das war doch ein Volltreffer. Wir erfuhren, dass wir sehr großes Glück hatten, dem Onkel (und Besitzer des anderen Teils der Estancia mit den verschlossenen Toren) nicht begegnet zu sein. Er mag keine Fremden und hätte uns wahrscheinlich ins Knie geschossen... Alexander und seine Familie, die Freunde und unzählige kleine Kinder waren sehr nett und einladend. Alle leben normalerweise in Buenos Aires und verbringen die Ferias auf der Estancia. Alle, auch die Kinder, sprechen lupenreines Englisch und besuchen Privatschulen in der Hauptstadt. Unsere Lebensmittelvorräte waren fast auf Null geschmolzen. Alexander fuhr mit uns alle umliegenden Providerias ab. Mit dem Pferd wäre das eine Tagesreise gewesen. Nach einer guten Stunde kamen wir mit der ernüchternden Ausbeute zurück: Wein, Pate, Tunfisch und Mischgemüse in der Dose, Zwiebeln (!) und Schokolade. Keine Eier, kein Brot, kein Fleisch.... Am Abend lud uns Alexander zum Essen ein. Gegen 22 Uhr, einer durchaus üblichen Zeit, gab es ein leckeres Abendessen. Satt legten wir uns ins Zelt.
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